Das Wernloch bei Wendelstein



Als im Mittelalter der Sandsteinbau die Lehmziegelbauweise ablöste, gewannen die Sandsteinbrüche bei Wendelstein und Worzeldorf rasch an Bedeutung. Jahrhundertelang wurde hier für die Gebäude der Stadt Nürnberg Sandstein in mühevoller Handarbeit abgebaut und dann mit Flößen über die Schwarzach und die Rednitz verschifft.


Zurück geblieben sind beeindruckende Felswände und die mit Regenwasser gefüllten Felslöcher. Eines davon, das Wernloch, liegt im Zentrum eines märchenhaften Waldes, in dem Verfall und Wiedergeburt ganz nah beieinander liegen. Totes Holz dient jungen Bäumen als Nährboden. Von knorrigen Ästen hängen dichte Moosfahnen. Ein wirklich schaurig-romantischer und kraftvoller Ort, an dem wir geneigt waren, die Welt da draußen zu vergessen und nur noch in märchenhafter Verzauberung zu schwelgen.



Zuerst jedoch einmal zur Anfahrtsbeschreibung:
Von Nürnberg aus fahrt Ihr zum Zollhaus und von dort Richtung Wendelstein. Haltet Euch rechts und nehmt die Auffahrt Schwabach/Wendelstein/Röthenbach b.St.Wolfgang. Oben biegt Ihr rechts ab. Nach ungefähr 1,5 km biegt Ihr rechts in die Nürnberger Straße ein. Nach gut 750 Metern erreicht Ihr im Wald einen Wanderparkplatz an einer Wasserstation mit einem Funkturm.


Vom Parkplatz aus geht Ihr in Richtung der rot-weißen Schranke. An einem Baum links davon empfängt Euch das Muschel-Wanderzeichen, das Euch signalisiert, dass Ihr Euch auf dem Jakobsweg befindet. Zudem entdeckt Ihr hier das Schild „Dr.-Richard-Sauber-Weg“. Auf diese beiden Schilder stoßt Ihr auf Eurem Weg immer wieder. Ihr könnt Ihnen entweder folgen oder Ihr wandert auch einmal abseits der Wege. Gelegenheiten zum Abzweigen gibt es auf dem Areal wirklich mehr als genug. Von den Hauptwegen führen jede Menge Trampelpfade hinein ins Unterholz. Jeder Pfad, den wir beschritten, führte uns irgendwann wieder auf einen der Hauptwege zurück. In der Wegbeschreibung bei Outdooractive haben wir nur eine Version des Rundweges markiert. Eurer Entdeckerlust sind an diesem zauberhaften Ort jedoch wahrlich keine Grenzen gesetzt. Hier kann man gut und gerne einen ganzen Nachmittag hin und herwandern, ohne eine Stelle zweimal zu passieren. Ein wirklich wundervolles Labyrinth, das den Vorteil bietet, dass man sich darin nahezu nicht verlaufen kann.


Nun also erst einmal auf dem Jakobsweg hinein in den Märchenwald. Schon nach ein paar Metern fällt uns der überaus dichte Moosbewuchs auf. Ja, grün ist es anderenorts auch. Jedoch scheint das Moos hier den gesamten Wald – den Boden, die Bäume, die Felsen – Stück für Stück zu überziehen. In dem Sonnenlicht, dass an vielen Stellen durch die Bäume das Waldinnere erreichte, schien der Wald sogar jetzt im Winter hell und grün zu leuchten. Teilweise fühlten wir uns fast schon wie im Frühling. Und dann das Moos, das in regelrechten Fahnen von den Ästen hängt. Fast schon ein wenig unheimlich. Ein guter Ort, um eine alte Wendelsteiner Geschichte zu erzählen.







Der wortbrüchige Wirt
Im tiefsten Mittelalter, als noch Raubritter die Gegend um Nürnberg unsicher machten, gab es in Wendelstein ein Gasthaus, dass einem besonders gierigen Wirt gehörte. Eines nachts, als dieser Wirt seine Schenke bereits verschlossen hatte und sich zur Ruhe begeben wollte, klopfte es an die Tür seines Gasthauses. Mürrisch öffnete er die Tür und erkannte in der Dunkelheit drei gut gekleidete Gestalten. Die drei gaben sich als Nürnberger Kaufleute zu erkennen und baten um Einlass. Sie suchten dringend eine Bleibe für die Nacht und waren bereit auch den doppelten Preis zu bezahlen. Sogleich hellte sich das mürrische Gesicht des gierigen Wirts auf. Er bat die Kaufleute herein, geleitete sie zur besten Kammer im Obergeschoss seines Gasthauses und hofierte sie aufs Liebenswürdigste. Immer im Hinterkopf, dass sich diese Freundlichkeit am nächsten Morgen doppelt für ihn auszahlen würde. Er eilte nochmals in die Schänke, um ein paar warme Getränke für die durchgefrorenen Kaufleute zuzubereiten, da saßen auf den Bänken einige gar wilde Gestalten, die sich ihm als der gefürchtete Raubritter Thomas von Absberg und seine Räuberbande vorstellten. Der Wirt eilte sofort zurück nach oben, um seine Gäste zu warnen. Denn der Raubritter war ein großer Feind der Nürnberger Kaufleute, die auch Nürnberger Pfeffersäcke genannt wurden, weil der Gewürzhandel sie reich gemacht hatte. Auf deren Flehen hin, und nachdem sie ihn schon im voraus fürstlich dafür bezahlt hatten, versprach der Wirt den Kaufleuten, sie nicht zu verraten. Als er jedoch wieder nach unten ging, dachte er sich, was ihm da für ein gutes Geschäft durch die Lappen gehen würde. Denn, wenn er die Kaufleute verraten würde, könnte er doch gleich doppelt verdienen. Das Geld der Kaufleute hatte er ja bereits. Und von dem Raubritter würde er sicher auch eine Belohnung bekommen, wenn er ihm solch wertvolle Geiseln ausliefern würde. Und so verriet er dem Raubritter von Absberg, dass er unter seinem Dach die drei Nürnberger Kaufleute beherbergte. Dieser stieg mit seinen Männern zur Gästekammer hinauf, stieß die Tür auf und begrüßte die verängstigten Gäste. Er nahm sich einen Stuhl und befahl den vor Angst Schlotternden sich zu ihm zu setzen. Dann befahl er dem Wirt ihm einen festen Strick zu bringen. Der Wirt tat, wie ihm befohlen worden war. Der Raubritter knüpfte aus dem Strick eine Schlinge und warf ein Ende über einen Dachbalken. Dann band er es fest, so dass die Schlinge unheilvoll über den Köpfen der Kaufleute baumelte. „Nun wollen wir das Gerät doch einmal testen“, sprach der Thomas von Absberg. „Wirt, steigt doch schnell einmal auf den Tisch und probiert die Schlinge an.“ Der Wirt tat, wie ihm geheißen. Noch immer im Glauben, dass der Ritter mit alledem die Kaufleute einschüchtern wollte. Doch als er auf dem Tisch stand, die Schlinge um den Hals, da trat der Raubritter plötzlich den Tisch zur Seite. Und schon baumelte der Wirt von der Decke und zappelte. Doch es half nichts. Binnen weniger Augenblicke war alles Leben aus seinem Körper entwichen. Der Raubritter jedoch sprach zu den Kaufleuten: „Wenn es irgendetwas gibt, dass ich noch mehr verabscheue als Euch Nürnberger, dann ist es ein Wirt, der sein Versprechen bricht. Deshalb werde ich Euch mit Eurer Habe unbehelligt ziehen lassen. Der Verräter hat seine gerechte Strafe erhalten. Nun geht Eures Weges.“ Die Kaufleute, denen der Schrecken ins Gesicht geschrieben war, packten all Ihre Sachen und flüchteten in die Nacht und zurück nach Nürnberg.




Nach dieser kleinen Morität wirkte der verwunschene Wald gleich noch ein wenig unheimlicher und spannender. Wachen Auges entdeckten wir am Wegesrand immer wieder faszinierende kleine Highlights. Einmal waren es abgeholzte und aufgeschichtete Bäume, auf denen mittlerweile schon wieder kleine Tannenbäume wuchsen. Dann war es ein schwarzer Tümpel weit unten in einer schmalen Schlucht. Besonders spannend war ein kleiner Keller, der in den Sandstein gehauen worden war. „Was die da wohl gelagert haben? Vielleicht Bier?“ fragte unser Hüpfer. Da hat der kürzliche Besuch der Forchheimer Keller wohl seine Spuren hinterlassen ;-)



Und immer wieder diese schaurig-schöne Atmosphäre, die dieser Ort ausstrahlt. Wir waren Meter für Meter mehr begeistert.


Bald erreicht Ihr einen Aussichtspunkt mit einer Holzsitzgruppe. Vorsicht! Vom Felsen aus geht es kerzengerade hinunter in das namensgebende Wernloch. Eine dünne Eisschicht bedeckte den tiefschwarzen See und schimmerte in den Sonnenstrahlen, die es über die Felsen bis nach unten schafften. Ganz Mutige können direkt an der Felskante auf einem schmalen Stück bis nach vorne gehen und nach unten sehen. Wobei das wirklich nicht ungefährlich ist.








Von der Sitzgruppe führt ein schmaler und abenteuerlicher Trampelpfad auf den Hauptweg hinunter.
Ohne festes Schuhwerk ist dieser nicht empfehlenswert. Dann lieber die große Runde links am Aussichtspunkt vorbei nach unten. Von unten hat man einen wirklich tollen Blick auf die über Jahrhunderte bearbeitete Felswand, an deren Kante Ihr gerade noch standet. Hier zeigt sich, dass ein Besuch im Winter auch seine Vorteile hat. Denn ohne Laub auf den Bäumen sind die dahinter liegenden Felswände eindeutig besser erkennbar.












Dann wird der Weg schmaler und zu einem Trampelpfad, der Euch an weiteren kleinen Seen vorbei führt, bis es links an einem Schild ins Unterholz geht. Jede Menge grüne und morsche Äste gilt es nun sicheren Schrittes zu übersteigen. Hinter einer Ecke findet Ihr einen kleinen Durchgangskeller. Und dann geht es noch einmal hinab in ein Tal. 



 
Für uns der absolute Höhepunkt dieser kurzen Tour. Zuerst durchquert Ihr eine Moorlandschaft. Tiefe Tümpel, an deren Ufern sich Flora und Fauna in voller Blüte entfalten – und das im Winter! Alles so wahnsinnig grün. 


 

Und dann geht es rechts einen kleinen Hang hinauf. Ihr steht nun vor der imposantesten Felsformation des Areals. Unglaublich, wenn man sich vorstellt, wie hier mit Hammer und Meisel der Sandstein im großen Stil abgebaut wurde. Fast hört man noch das Hämmern und Schlagen durch den Wald hallen. An vielen Stellen sind die Spuren der Meisel noch sehr gut sichtbar. Davor liegt ein großer Baumstamm. Für uns war das der perfekte Rastplatz. Im Schatten dieses Felskolosses herzhaft in seine Stulle zu beißen und die Ruhe dieses kraftvollen Ortes auf sich wirken zu lassen, das hat schon was. 


 

Von hier aus gelangt Ihr, wenn Ihr an der Felswand nach oben geht, in wenigen Minuten zurück zum Parkplatz. Oder Ihr macht Euch noch einmal auf Entdeckertour. Schließlich gibt es hier noch jede Menge toller Flecken zu erkunden. Für uns steht fest, wir werden im Frühsommer wieder kommen und uns überraschen lassen, ob dieser Ort immer noch eine so starke Faszination auf uns ausübt, wenn der winterliche Zauber verflogen ist.

Hoffentlich ist es uns gelungen, Euch für diesen faszinierenden Ort zu begeistern. Wenn ja, viele Späße beim Entdecken!

Die 3 Pavels


Länge: ab 2 km
Dauer: ab 1 Stunde
Festes Schuhwerk: Ja
Buggy: Nein
Action: Jede Menge Kraxelspass abseits der Hauptwege
Atmosphäre: Im Winter ist es hier so schaurig-romantisch, wie in einem dieser großartigen alten englischen Gruselfilme mit Christopher Lee


Und hier noch der Link zum Nachwandern:
https://www.outdooractive.com/de/wanderung/fraenkisches-seenland/das-wernloch-bei-wendelstein/118553848/




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